Obwohl die recht bunte Wacholderdrossel im Herbst und Winter wenig versteckt und sogar in Siedlungen lebt, ist sie erstaunlicherweise nicht sehr bekannt. Dies trifft zumindest für die Schweiz zu, wo sie erstmals 1923 brütete. Nach dem neu erschienenen Brutatlas der Schweiz beträgt der Wacholderdrosselbestand 40‘000 bis 45‘000 Paare. Die Wacholderdrossel ist ein „Einwanderer“, der sich seit 200 Jahren von der sibirischen Taiga immer weiter nach Westen ausbreitete und in der Zwischenzeit auch Ostfrankreich erreicht hat.
Ihre Vorliebe für Beeren im Herbst- und Winterhalbjahr kommt im Namen deutlich zum Ausdruck. Ein volkstümlicher Name für die Wacholderdrossel ist die Bezeichnung Krammetsvogel (in Deutschland), da dort in gewissen Regionen die Beeren des Wacholders Krammetsbeeren genannt werden. Sie ernährt sich allerdings von verschiedenen Beeren, Früchten und Obst.
Wenn die Vögel in grösseren Trupps erscheinen, sind Sträucher und Büsche innert kürzester Zeit leergefressen und die Tiere ziehen weiter. Äpfel sind im Herbst und Winter ein besonderer Leckerbissen und stehen bei den Wacholderdrosseln hoch im Kurs.
Wer in dieser Jahreszeit Wind und Wetter trotzt und sich in der Natur aufhält, kann mit etwas Glück beobachten, wie Wacholderdrosseln sich über nicht gepflückte Äpfel an Bäumen hermachen oder sich am Boden am Fallobst gütlich tun. Die Vögel und die Äpfel bilden in der in tieferen Lagen oft grauen Winterlandschaft schöne Farbtupfer.
Wacholderdrosseln sind in der kalten Jahreszeit häufig mit andern Vögeln vergesellschaftet, gerne mit Staren oder der seltenen Rotdrossel (s. Bild), ein besonderes Highlight für Vogelbeobachter. In der Schweiz erscheint die Rotdrossel nämlich nur während der Zugzeiten oder eben im Winter als lokaler Gast in kleiner Zahl.
Die Wacholderdrossel besiedelt die nordöstliche Region von Schottland und dem mittleren Frankreich bis zum Amur in Sibirien. Sie liebt halboffene Landschaften mit Baumhecken, feuchtes Grünland, Streuobstwiesen, Parks und zeigt sich auch in grösseren Gärten. Ihre Verwandten, beispielsweise Sing- und Misteldrossel, sind hingegen an den Wald oder Waldrand gebunden.
Die farbenprächtige Wacholderdrossel ist etwa so gross wie eine Amsel, eine weitere Verwandte von ihr, mit bis zu 140 g aber schwerer. Kopf und Nacken sind blaugrau, der Schnabel gelb, Kehle und Brust ockergelb mit dunkler Strichelung. Die Musterung an den Flanken ist etwas gröber. Ihr Rücken ist kastanienbraun, der Schwanz dunkelgrau. Männchen und Weibchen sehen gleich aus. Die Vögel verraten sich häufig durch ihren typischen „Schack-schack“-Ruf, man bezeichnet ihn auch als „Schackern“.
Als einziger Vogel aus der Drosselfamilie brütet die Wacholderdrossel in Kolonien von 2 bis 30 Paaren, aber auch einzeln. Der Begriff Vogelkolonie umfasst also auch kleinere Gruppen, es handelt sich dabei längst nicht immer nur um Hunderte oder Tausende von Vögeln.
Wacholderdrosseln wählen als Niststandort Bäume oder hohe Sträucher, oft in Gewässernähe. Das Weibchen baut das napfförmige Nest auf einem starken Ast oder in einer Astgabelung in der Nähe des Stammes. Als Material verwendet es grobes Gras und feine Zweige. Zuletzt wird das Nest mit nasser Erde, meistens vermischt mit Halmen, ausgekleidet. Gelegentlich enthalten die Nester auch Zivilisationsmüll wie Papier und Plastikfetzen. Die Eiablage erfolgt überwiegend im Monat April. Das Gelege umfasst 5 bis 6 Eier, die vom Weibchen bebrütet werden. Nach rund zwei Wochen schlüpfen die Jungvögel. In den ersten Tagen nach dem Schlüpfen trägt der Papa die Nahrung herbei – vor allem Regenwürmer. Diese werden anfangs zerquetscht und von der Mama in sehr kleinen Portionen verfüttert. Mit zunehmendem Alter der Nestlinge beschaffen beide Elternvögel Nahrung. Sie versorgen ihren Nachwuchs mit immer grösseren Würmern.
Bevor die Vogelküken ihre Flugfähigkeit mit 14 bis 18 Tagen erreichen, turnen sie auf dem Nestrand oder Ästen in Nestnähe herum. Ihre Selbstständigkeit erreichen sie nach etwa 30 Tagen. Ganze Brutgemeinschaften gehen dann gemeinsam auf Nahrungssuche und die Jungvögel betteln dabei andere Wacholderdrosseln an, meist aber ohne Erfolg. Manchmal werden sie von diesen sogar verscheucht. Nahrung in Form von Regenwürmern finden sie in kurz geschnittenen Wiesen und profitieren dabei von den häufigeren Grasschnitten.
Eine Besonderheit zeichnet die Wacholderdrossel aus: Eine Brutkolonie wird vehement gegen Eindringlinge wie Krähen, Greifvögel, Hauskatzen und Menschen verteidigt. Die Vögel greifen gemeinsam an und bespritzen die Störenfriede gezielt mit Kot. Die Kotbomben können so intensiv sein, dass im schlimmsten Fall ein verkoteter Vogel flugunfähig wird. Dieses Abwehrverhalten machen sich andere Brutvögel wie beispielsweise Buchfink, Kernbeisser, Pirol und Ringeltaube zunutze, indem sie in der Nähe von Wacholderdrosseln ihre eigenen Nester anlegen.
Leider nehmen die Bestände der Wacholderdrossel lokal wieder ab. Dabei spielen vermutlich Faktoren wie die Intensivierung der Landwirtschaft, Trockenlegung von Feuchtgrünland und andere Lebensraumveränderungen eine Rolle. In der oft ausgeräumten Agrarlandschaft werden Beeren- und Früchte tragende Sträucher und Hecken seltener, ebenso Apfelbäume, die im Winter noch Nahrung bieten. Überwinternde Wacholderdrosseln kommen deshalb auch in Gärten, die mit einheimischen Gehölzen bepflanzt sind. Es gibt aber auch Landwirte, die im Herbst nicht alle Äpfel ernten und den Wacholderdrosseln einen Anteil überlassen. An Futterstellen macht es Sinn, in der Winterzeit Äpfel und Rosinen auszulegen, nebst Wacholderdrosseln freuen sich auch Amseln darüber.
Im Februar fliegen die hier überwinternden Wacholderdrosseln wieder in ihre Brutgebiete in Nord- und Osteuropa zurück. Nach der Ankunft der Weibchen wirbt das Männchen mit gesträubten Scheitel- und Bürzelfedern und von Ast zu Ast hüpfend um seine Partnerin und der Kreislauf beginnt von neuem.
Die ausführliche Dokumentation zum heutigen Vogel des Monats für den Unterricht können Sie hier kostenlos herunterladen: Wacholderdrossel.
Ich danke Edith und Beni Herzog herzlich für die interessanten Informationen und die wunderbaren Fotos. Auf ihrer Webseite benifotos.ch sind die Bilder grösser und noch prächtiger zu sehen.
Zielgruppe: 3. - 6. Klasse
Bezug Lehrplan 21: NMG 2.1 NMG 2.3 NMG 2.4 NMG.2.6