Die bekanntesten Reiher sind wohl Grau- und Silberreiher. Die Beobachtung des Seidenreihers in der Schweiz war vor noch nicht so langer Zeit ein Glücksfall und lässt auch heutzutage das Herz vieler Vogelbeobachter höher schlagen. Erfreulicherweise übersommern immer mehr dieser eleganten Vögel in der Schweiz und zeigen anscheinend auch brutverdächtiges Verhalten.
Der Seidenreiher ist eine grazile Erscheinung im Vergleich zum Silberreiher, der fast doppelt so gross ist und einen gelben Schnabel hat - allerdings nur ausserhalb der Brutzeit.
Der dolchartige Schnabel des Seidenreihers ist schwarz, das Gefieder ist reinweiss, die Beine schwarz, aber er hat im Gegensatz zum Silberreiher gelbe Füsse, das „Markenzeichen“ des Seidenreihers.
Diese bekommt man allerdings nicht oft zu Gesicht ausser im Flug oder wenn der Vogel durch das Wasser watet. Ebenfalls im Flug fällt der s-förmig eingezogene Hals auf, wie dies bei allen Reihern der Fall ist.
Störche hingegen fliegen mit weit ausgestrecktem Hals.
Was das Aussehen betrifft, kann man bei Seidenreihern Männchen und Weibchen nicht unterscheiden.
Im Brut- oder Prachtkleid trägt der Seidenreiher im Nacken, an der Brust und am Rücken lange weisse Schmuckfedern. Es sieht so aus, als würde er ein Hochzeitskleid zur Schau tragen. Seine Schönheit wurde dem Seidenreiher im 19. Jahrhundert leider zum Verhängnis. Die dekorativen Schmuckfedern waren bei den damaligen Modeschöpfern äusserst beliebt und sie wurden zu extravaganten Hüten verarbeitet. Der Seidenreiher wurde aus diesem Grund gnadenlos bejagt.
Diese Zeiten sind glücklicherweise vorbei und ab 1910 erholten sich die Bestände langsam. Seit dem Jahr 1950 verzeichnet der zierliche Reiher eine deutliche Zunahme und seine Brutgebiete in Europa weiten sich mehr und mehr aus. In Deutschland gibt es seit 1992 bereits vereinzelte Bruten. Bis Ende des 21. Jahrhunderts könnte er in Mitteleuropa ein regelmässiger Brutvogel sein.
Der Seidenreiher bewohnt vor allem Südeuropa, Amerika, Nord-, West und Südafrika sowie Madagaskar über Kleinasien bis Japan und Australien. In Italien, Frankreich, Spanien und Ungarn brüten die Vögel mit Erfolg. In Europa ist der Seidenreiher ein Zugvogel.
Im März kehren die Vögel aus den afrikanischen und südeuropäischen Winterquartieren zurück. In der Schweiz erscheint der Seidenreiher meist im Mai. Der Herbstzug ist im Oktober weitgehend abgeschlossen. Einzelne Vögel überwintern allerdings bei uns.
Der Seidenreiher benötigt als Lebensraum Feuchtgebiete mit Schilfbewuchs, offene Flachwasserzonen an Küsten und Seen, Tümpel und Teiche mit Vegetation sowie Überschwemmungsgebiete. In Wassergräben lässt er sich auch gerne nieder und frönt dort der Jagd.
Besonders spannend ist es, den Seidenreiher bei der Nahrungssuche zu beobachten. Er ernährt sich von Fischen, Krebstieren, Amphibien wie zum Beispiel Fröschen, Würmern und Insekten. Beim Beuteerwerb hat er zwei Strategien: Lauern oder Rennen. Er lauert im seichten Wasser und in Sumpfwiesen auf sein Opfer, angespannt wie eine Feder. Das heisst, er verharrt minutenlang komplett regungslos mit vorgebeugtem Kopf. Sobald das Beutetier in Reichweite ist, schiesst er mit seinem dolchartigen Schnabel vor und packt zu.
Die zweite Art des Jagens regt beim Beobachter die Lachmuskeln an: Der Seidenreiher scheucht seine Beute mit vibrierenden Fussbewegungen auf oder läuft mit erhobenen Flügeln aufgeregt hin und her oder im Kreis durch das seichte Wasser, was ebenfalls das Aufscheuchen von Fischen bewirkt. Es ist ein herrliches Schauspiel, ihm bei solchen Szenen zusehen zu können.
Ähnlich wie der Kuhreiher, der vor allem Afrikareisenden bekannt ist als Begleiter der grossen Huftierherden oder von Spanien und dem Süden Portugals, wo sich der Kuhreiher oft in der Nähe von weidenden Schafen und Kühen aufhält, sucht auch der Seidenreiher gelegentlich die unmittelbare Nähe von weidendem Vieh. In deren Umgebung gibt es viele Insekten, die er relativ einfach erbeuten kann.
Seidenreiher beginnen bereits im Winterquartier mit der Balz und setzen diese im Brutgebiet fort. Ihre Rufe sind ein leichtes Krächzen, ausserhalb der Brutzeit sind die Vögel stumm. Das Nest legt der Vogel bevorzugt in gemischten Reiher- oder Kormorankolonien an, oft beträgt der Nestabstand auf Sträuchern und Bäumen gerade mal zwei Meter. Er ist also ein sogenannter Koloniebrüter.
Das Männchen trägt das Nistmaterial ein, das Weibchen verbaut es. Das Gelege umfasst 3 bis 5 Eier, beide Eltern beteiligen sich an der Brutpflege. Die Jungvögel schlüpfen nach 21 bis 22 Tagen und verlassen das Nest nach rund 30 Tagen. Sie lassen sich auf Ästen in der Nähe des Nestes nieder und werden mit ungefähr 40 Tagen flügge.
Seidenreiher können 15 Jahre alt werden, der älteste bislang gefundene Ringvogel erreichte sogar ein Alter von 22 Jahren!
Verwandte Arten dieser Schreitvögel sind beispielsweise Graureiher (im Bild links), Silberreiher, Purpurreiher, Nachtreiher und Kuhreiher (im Bild rechts).
„Feind“ Nummer 1 ist der Mensch, der den Lebensraum durch die Trockenlegung von Feuchtgebieten zerstört. Zu den tierischen Feinden gehören Marder, Waschbär und Grossmöwen, die den Seidenreihern ihre Eier rauben. Fuchs, Greifvögel und Uhu erbeuten auch Jungvögel und kranke und schwache Altvögel.
Die ausführliche Dokumentation zum heutigen Vogel können Sie kostenlos hier herunterladen: der Seidenreiher.
Ich danke Edith und Beni Herzog herzlich für die interessanten Informationen und die wunderbaren Fotos. Auf ihrer Webseite benifotos.ch sind die Bilder grösser und noch prächtiger zu sehen.
Zielgruppe: 3. - 6. Klasse
Bezug Lehrplan 21: NMG 2.1 NMG 2.3 NMG 2.4 NMG.2.6